Teil 2:
Warum wir mit Gelassenheit
in die Zukunft blicken können
Am 23. September 2017 war es endlich soweit. Findige Theologen hatten entdeckt, dass dann der Planet Jupiter im Sternbild der Jungfrau auftauchen würde, genau in ihrem Bauch. Das klang wie schwanger, und erinnerte an einen Text aus Offenbarung 12,1-2. Jetzt könnte die Welt untergehen, der dritte Weltkrieg beginnen und Jesus wiederkommen, die heimliche Entrückung passieren und die große Trübsal beginnen. Ein besorgter Pastor meldete sich bei mir, weil seine Gemeinde ziemlich nervös geworden war bei dem Gedanken, dass am 23.09.17 die Welt untergehen würde.
In der letzten Ausgabe der „Offenen Türen“ habe ich vom schwarzen Schwan geschrieben, ein Symbol für Ereignisse, die extrem unwahrscheinlich sind, aber trotzdem eintreffen können. Diese Angst vor unvorhergesehenen Ereignissen oder der Zukunft überhaupt befeuert eine ganze Industrie von Prognosespezialisten, Analytikern, Zukunftsforschern oder einfach nur Wahrsagern. Es ist zutiefst menschlich, dass wir gerne wissen wollen, womit wir rechnen können. Eine ungewisse Zukunft macht uns unsicher. Auch uns Christen. Entsprechend häufig sind die Versuche, anhand der Bibel und vor allem der Offenbarung die Zukunft vorherzusagen. Vor mir liegt ein Buch von Dyer und Tobey, das gerade erst in Deutsch erschienen ist: „Nationen auf Kollisionskurs – Was sagt die Bibel über Russland, den Islamischen Staat, Iran und die Endzeit?“ Was Christen hier versuchen, versuchen auch säkulare Menschen: Anhand von Geschichtsanalyse und bestimmten Parametern vorauszusagen, wie sich die Welt verändern wird. Einziger Unterschied ist, dass einer der Parameter bei den christlichen Büchern die Bibel ist. Die Triebfeder für solche Spekulationen ist die Angst, von einem Schwarzen Schwan überrascht zu werden. Zukunftssicherung ist tief in unserer westlichen Kultur verankert, und wir tun alles, damit uns die Zukunft nicht „auf dem linken Fuß“ erwischt.
Die Voraussagen zum 23. September 2017 waren nicht das erste und sicher auch nicht das letzte Mal, dass sich Christen in Sterndeutung, Geschichtsdeutung und freihändiger Auslegung der Bibel versuchen. Der Drang, es besser und genauer wissen zu wollen, als es geschrieben steht, ist groß und gebiert immer wieder neue Ideen und Lehren. Wir wollen Sicherheit.
Wie kann man angesichts einer sich schnell
verändernden Welt gelassen bleiben?
Mir scheint, dass es Menschen nicht beruhigt, wenn man ihnen erklärt, wie die Zukunft aussieht. Im Gegenteil: Die Christen, die solchen Büchern wie dem oben genannten Glauben schenken, wirken eher beunruhigt und ängstlich. Auch wenn das nur ein persönlicher Eindruck ist, scheint es doch naheliegend, dass der ängstliche Blick nach vorne, in die Zukunft hinein, nicht die Angst beruhigt. Vielleicht sogar im Gegenteil: Je mehr wir uns damit beschäftigen, was alles auf uns zukommen könnte, desto unruhiger werden wir. Gelassenheit entsteht nicht aus Voraus-Wissen. Jesus empfiehlt deshalb gerade nicht, sich mit den möglichen Sorgen von morgen zu beschäftigen:
„Macht euch keine Sorgen um den nächsten Tag! Der nächste Tag
wird für sich selbst sorgen. Es genügt, dass jeder Tag seine eigene
Last mit sich bringt.“ Matthäus 6,34
Wie aber kann man solche Gelassenheit lernen?
1. Mit Gott im Gespräch sein: Sterne beobachten, Endzeitbücher lesen, Entwicklungen verfolgen, Verschwörungstheorien nachgehen und alles andere, was uns scheinbar die Zukunft enthüllt, macht uns am Ende nur noch ängstlicher und nervöser. Außerdem haben sich so viele sogenannte Endzeitbücher schon als Irrtum und Fehlspekulation erwiesen, dass es mir höchst riskant scheint, ihnen zu vertrauen. Mein Vorschlag: Gebete mit Perspektivwechsel. Als Johannes in Offenbarung 1 Jesus sieht, ist er anscheinend völlig in seinen Sorgen um die Gemeinde und ihre Zukunft versunken. In zwei Versen erzählt er, dass Jesus von hinten zu ihm spricht und er sich umdrehen muss, um Jesus zu sehen (Offenbarung 1,10+12). Sich im Gebet zu Jesus umzudrehen, das ergibt eine völlig neue Perspektive. Wenn die Herrlichkeit und Kraft Jesu meine Gedanken und mein Herz einnehmen, dann können der Glanz dieser Welt und ihre Macht mich nicht mehr einschüchtern.
2. Die Prioritäten richtig setzen: Die Offenbarung des Johannes beginnt mit dem Hinweis, dass die glücklich sein werden, die sie lesen. Die erste geistliche Aufforderung Jesu in der Offenbarung heißt: „Fürchte dich nicht!“ (Offenbarung 1,17). Das ist programmatisch für die ganze Offenbarung. Sie macht Mut, sie stärkt den Glauben, sie hilft durchzuhalten und schenkt uns eine riesige Hoffnung. Nur tut sie das nicht nach menschlichen Maßstäben. Das „Fürchte dich nicht“ von Jesus besagt nicht, dass ich schmerzfrei und bequem ins Himmelreich kommen werde. Es entbindet mich nicht von Opfern und von Leiden. Jesus begründet sein „Fürchte dich nicht“ mit seinem eigenen Tod und seiner Auferstehung:
„Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und des Hades.“ Offenbarung 1,17-18
Wenn selbst der Tod keine Bedrohung mehr für mein Leben ist, was könnte mich dann noch in Panik versetzen?
Wir besiegen die Furcht nicht deshalb, weil uns keine schwarzen Schwäne begegnen könnten. Wir besiegen sie nicht, weil wir schon wüssten, was auf uns zukommt. Wir besiegen sie nicht, weil Jesus uns im letzten Augenblick rausholen würde, bevor es auf dieser Erde knallt. Wir besiegen sie, weil Sterben und der Tod für uns nur eine winzige Unterbrechung eines unendlichen Lebens darstellen, das jetzt schon für uns Realität ist. Der Tod ist nicht mehr als eine Tür, ein kurzer Augenblick der Dunkelheit, bevor wir den Schlüssel im Schloss hören, der sich dreht, und das Licht sehen, das durch die Tür fällt, und Jesus, der uns mit offenen Armen willkommen heißt. Deshalb sind schwarze Schwäne egal. Deshalb ist es sogar egal, wenn wir unser Leben verlieren:
„Wer sein Leben findet, wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden." Matthäus 10,39
3. Selbst Opfer und Verluste als Gewinn verstehen: Es ist nicht nur egal, wenn wir unser Leben verlieren, es ist nach Jesu eigenen Worten sogar ein Gewinn! Wenn wir also nicht mehr verlieren können, weil selbst Verluste Gewinn sein werden, wenn wir nicht mehr im Tod bleiben können, weil unser unendliches Leben jetzt schon begonnen hat, wenn wir uns nicht mehr fürchten müssen, weil Jesus nicht nur das erste, sondern auch das letzte Wort in unserem Leben hat, dann steht unserer Gelassenheit auch nichts mehr im Weg.
Schwierige Nachbarn, Ärger bei der Arbeit, eine lang andauernde Krankheit, Jobverlust, Spannungen in der Gemeinde, geplatzte Träume – die Liste von Dingen, die uns Angst machen, ist sehr lang. Es fällt schwer zu glauben, dass wir in offensichtlichen Verlust-Situationen gewinnen – aber es stimmt, vor allem, wenn wir diese in der Liebe und Geduld Christi annehmen. Wenn wir dieses Vertrauen lernen, dann können wir jedem Tag mit Gelassenheit entgegensehen. Selbst wenn Dinge nicht so laufen wie gewünscht: Wir sind auf der Gewinner-Seite und können nicht mehr verlieren.
Für mich persönlich ist das ein fast täglicher Prozess. Meine Ängste muss ich jeden Morgen neu an Gott abgeben, damit sie nicht meinen Tag und meine Entscheidungen bestimmen. Gelassenheit ist mir nicht in die Wiege gelegt, im Gegenteil. Aber sie lässt sich erlernen, und der Heilige Geist ist dabei an unserer Seite:
„Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Ängstlichkeit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ 2. Timotheus 1,7